Depressionsforschung an ertrinkenden Mäusen


Seit Jahrzehnten versucht man Depressionen zu erforschen, indem man Mäuse oder Ratten in ein mit Wasser gefülltes Gefäss fallen lässt, aus dem sie nicht entkommen können. Dann misst, wie lange es dauert, bis die Ratten aufgeben und nicht mehr schwimmen. Dies heisst dann ‘Forced Swim Test’. 

Man nimmt an, dass eine depressive Ratte früher aufgibt. Dieses ‘Modell’ nutzt man dann um den Erfolg von Antidepressiva zu testen. Der Versuch klassiert als Schweregrad 3, höchste Belastung für das Tier. 

Es braucht keine höhere Bildung um zu erkennen, dass dies ein ausserordentlich ungenauer Test ist, um die antidepressive Wirkung eines Medikaments beim Menschen voraussagen zu können. 

Unsere Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland haben einen besonders sinnlosen und schwer belastenden Tierversuch in der Ausgabe des Aerzte-gegen-Tierversuche-Journals 3/2023 publiziert.

Was am Forced Swim Test der Firma Schwabe besonders unverständlich und empörend ist: Das Medikament ist bereits im Handel, wird von Menschen gebraucht, ist zugelassen und hat beim Menschen, nicht bei der Maus, eine Wirkung bei Angstkrankheit und auch bei Depressionen gezeigt. Nachdem man alle Daten schon vom Menschen hat, sind die Mausversuche völlig sinnlos und würden, egal wie sie rauskommen, die weitere Anwendung am Menschen in keiner Weise beeinflussen, da die Daten am Menschen natürlich unendlich zuverlässiger sind als an der Maus!

Es ist einer der sinnlosesten Tierversuche, die wir überhaupt je gesehen haben.

Ob der Versuch überhaupt ein Mass für Depressionen ist wird heutzutage auch von Wissenschaftlern bestritten. Nicht weiter erstaunlich ist es dann, dass der Versuch höchst unterschiedliche Resultate ergibt, die häufig nicht mit der Wirkung am Menschen übereinstimmen.

Gerade erst am 13.12.2023 hat das National Health and Medical Research Council (NHMRC) die weitere Verwendung des Forced Swim Tests abgelehnt:
"NHMRC considers the potential adverse impacts of the forced swim test on animal wellbeing to be significant. When the scientific validity of this procedure for the proposed research is not supported by robust evidence, the use of the forced swim test in rodents cannot be justified in accordance with the Australian code for the care and use of animals for scientific purposes and must not proceed."
The forced swim test in rodents must not be used in any new projects as a model for depression in humans, to study depression-like behaviour (including in the phenotyping of genetically altered mice) or for studies of anxiety disorders and their treatment. The scientific validity of the forced swim test for these purposes is not supported by evidence.
The forced swim test in rodents must not be used in any new projects for any other purpose unless there is robust evidence to support the scientific validity of its use and compelling justification that use of alternatives to the forced swim test will not achieve the scientific aims of the proposed research.

Florian Halsboer, ehemaliger Direktor des Max Planck Instituts für Psychiatrie, sagt in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung am 31.7.2014: Bedauerlicherweise mussten wir feststellen, dass kein Tiermodell die menschliche Depression spiegelt. Es kann nicht einmal die Wirkung neuer Wirkstoffe vorhergesagt werden. Auch sind beim kranken Menschen klinisch wirksame Psychopharmaka in vielen Tiermodellen unwirksam. Die heute so übliche from-bench-to-bed-Philosophie hat Lieferprobleme und muss überdacht werden. Die Signale müssen aus der Klinik kommen. Mein Fazit: Wir können die Depression nicht im Reagenzglas oder einer einzelnen Nervenzelle, leider auch nicht in der Fruchtfliege, dem Fisch, dem Wurm oder in der Maus erforschen, wir können sie nur beim Menschen zu verstehen lernen.

In der NZZ am Sonntag vom 29.02.2020 schreibt Martin Amrein: Schwimmtest bei Mäusen: Forscher wenden sich von umstrittenem Tierversuch ab. Im gleichen Artikel kommt auch Professor Hanno Würbel, Professor für Tierschutz an der Vetsuisse-Fakultät in Bern, zu Wort:
«Der Nachweis, was der Test genau misst und welcher Mechanismus hinter dem Verhalten der Tiere steckt, wurde nie erbracht». «Der Nachweis, was der Test genau misst und welcher Mechanismus hinter dem Verhalten der Tiere steckt, wurde nie erbracht».
Die Kampagne (von PETA gegen den Forced Swin Test) stehe im Einklang mit der wachsenden Besorgnis von Wissenschaftern über die Qualität der Daten, die der Schwimmtest erzeuge, so Professor Würbel.

Analyse des niederländische Stressforschers Ron de Kloet von der Universität Leiden: De Kloet ist überzeugt, dass es sich beim regungslosen Treiben der Versuchstiere nicht um ein depressionsähnliches Verhalten handelt, sondern um eine an die Stresssituation angepasste Überlebensstrategie.

Forschungsgruppen aus der Pharmaindustrie, aber auch an Universitäten, führen den Schwimmtest noch immer durch.
Im Jahr 2015 veröffentlichten Wissenschafter im Durchschnitt fast eine Studie mit dem Schwimmtest pro Tag.

Dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch heute noch sinnlose, stark quälende Tierversuche gemacht werden und man sich keineswegs zurücklehnen kann in der Annahme, dass im Bereich Tierversuche alles heutzutage zum besten bestellt sei.

  • Den Link zum Heft 3/2023 der Aerzte gegen Tierversuche finden Sie hier
  • Den Link zu der Publikation des Tierversuchs bei Pubmed finden Sie  hier.