Transparenz und Amtsgeheimnis - gestern und heute (wie gestern..)


Auch heute noch herrscht keineswegs die von den Behörden und Vertretern aus Forschung und Pharma behauptete Transparenz:

  • Die Tierversuchsstatistik erlaubt keine Einsicht in einen einzelnen Versuch
  • Die Tierversuchsdatenbank darf von niemandem eingesehen werden, nicht von der Oeffentlichkeit, nichtmal von Forschern selbst!
  • Auch die Publikation der abgeschlossenen Projekte durch das BLV erlaubt keine Einsicht in die einzelnen Versuche.
  • Die Einsicht in ein bestimmtes Tierversuchsprojekt kann zwar forciert werden unter Berufung auf das Oeffentlichkeitsprinzip. Dies dauert dann aber viele Wochen bis Monate, macht den Behörden enorm viel Arbeit wegen Rückfragen und Schwärzung von vielen Passagen in Handarbeit, und man erhält eben vielfach geschwärzte Dokumente, wobei dann immer genau das geschwärzt ist, was interessiert hätte...

Dass es auch anders ginge zeigt das Beispiel Norwegen! Hier kann jedermann die Unterlagen zu einem Tierversuch verlangen, es muss nichts geschwärzt werden, man erhält alles innert 2-3 Wochen und die gesamte Korrespondenz zwischen Antragsteller und Behörde dazu!!! Und entgegen allen Aengsten der Forscher: es gibt durch diese Transparenz in Norwegen keinerlei Probleme!!!

Warum es zur Patientensicherheit Transparenz bei Studienregistern braucht, lesen Sie auf unserer Seite Studienregister für Patientensicherheit.

Die Ärztinnen und Ärzte für Tierschutz in der Medizin fordern deshalb 

- Transparenz bei den Studienregistern von Tierversuchen für Forscher und Steuerzahler

- Transparenz in den Tierversuchskommissionen

Es gibt aber auch positive Entwicklungen! So hält der Schweizerische Nationalfonds auf seiner Homepage fest:

'Mit öffentlichen Mitteln geförderte Forschung sollte möglichst gut öffentlich und gebührenfrei zugänglich sein. Der SNF hat sich diesem Ziel verpflichtet. Open Science ist der Überbegriff für alle Aktivitäten, die auf eine Öffnung der Wissenschaft hinarbeiten und einen Paradigmenwechsel beinhalten: Zum Beispiel Open Access to publications (freier Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen) und Open Data (freier Zugang zu Forschungsdaten) sowie der Übergang zu einer Dora-konformen Forschungsförderung.'



Zum Thema Amtsgeheimnis lesen sie hier einen Vortrag von PD Dr. med. vet. Franz P. Gruber anlässlich einer Pressekonferenz vom 23.2.2006:
(gekürzt)
Deutschland und die Schweiz bilden das Schlusslicht in Europa, was die Informations-Rechte der Bürger angeht. Selbst in Bosnien dürfen Bürger erfahren, welche Ausgaben der Staat mit ihren Steuergeldern tätigt, nicht so hier.
Basierend auf einem urdemokratischen Recht hat dieser Informationsanspruch seine längste Tradition in Schweden. Bereits 1766 erhielten im Rahmen der Pressefreiheit die Bürger das Recht, amtliche Dokumente einzusehen. Dieses Recht wurde in der schwedischen Verfassung verankert. Was in Schweden „Offentlighetsprincipen“ genannt wird ist mittlerweile weltweit unter dem Begriff „Freedom of Information“ oder „The Principle of Public Access“ bekannt.
In den USA wurde dieses Recht von Bill Clinton 1996 sogar so perfekt ausgebaut, dass es per Internet-Anfrage wahrgenommen werden kann.
Im Sommer 2005 hatte ich Gelegenheit, vor der parlamentarischen Gruppe Tierschutz in Bern das Thema Amtsgeheimnis im Zusammenhang mit den Bewilligungsverfahren für Tierversuche vorzutragen und zu diskutieren. Aus den Reihen gerade der SVP hörte ich völlig ungläubiges Staunen. Tenor: Man wäre doch hier in der Schweiz und da könne man doch über alles reden.
Kann man nicht. Die amtliche Geheimniskrämerei geht so weit, dass Mitglieder der kantonalen Tierversuchskommissionen zur Beurteilung von Bewilligungsversuchen nicht einmal Fachleute zu bestimmten Themen einschalten dürfen, ohne sich der Verletzung von Amtsgeheimnissen schuldig zu machen.
Wem dient das Amtsgeheimnis? Vorgeschoben wird die Privatsphäre des Wissenschaftlers, der sich sonst womöglich vor öffentlichen Anfeindungen kaum schützen könne. Juristisch formuliert würde man dem entgegnen, ist das Amtsgeheimnis in diesem Fall nicht angemessen, denn es verhindert das bekannt werden extremer Tierversuche nicht. Zu viele Personen sind heutzutage mit diesen Experimenten befasst um eine echte Vertraulichkeit zu gewährleisten.
Soll das geistige Eigentum des Wissenschaftlers geschützt werden? Auch hier ist das Mittel des Amtsgeheimnisses völlig überzogen. Denn die Öffentlichkeit will ja nicht wissen, mit welchen Substanzen explizit ein Forscher experimentiert, welche Operationstechniken entwickelt werden. Frau und Mann wollen ja nur wissen, wem das Experiment dient, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein medizinischer Fortschritt erwartet werden kann und welchen Belastungen die Tiere ausgesetzt sind.
Also ist auch hier das Amtsgeheimnis eine unverhältnismässige Beschränkung der Informationsfreiheit.
Will die Behörde sich selbst schützen? Möchte die kantonale Bewilligungsinstanz nicht Vorwürfen ausgesetzt sein, einen Versuch bewilligt zu haben, obwohl ein Nutzen für die Menschen kaum absehbar ist, der Versuch aber mit Sicherheit schwerste Belastungen der Tiere mit sich bringt?
Ich selbst bin nun seit 19 Jahren in einer solchen Bewilligungskommission tätig. Aus meiner Erfahrung kann ich Ihnen verraten, dass die von den Antragstellern behaupteten klinischen Fortschritte für den Menschen zu 90% pure Spekulation sind. Sie werden behauptet, um die Bewilligung zu bekommen, nicht weil man sie selbst ernsthaft glaubt.
Bewilligungsbehörden sind in einer gewissen Weise wissenschaftsgläubig. Zumindest macht dies weniger Stress als akademische Behauptungen auf ihren Wahrheits- oder Wahrscheinlichkeitsgehalt hin zu überprüfen. Leichter ist es, die Öffentlichkeit im Ungewissen darüber zu lassen, was überhaupt gemacht wird, welche Argumente dafür und welche dagegen sprachen. Auch Angst vor (halb-) informierten Laien mag eine Rolle spielen. Dabei kann der Tierschutz heute nun wirklich auf genügend Fachleute zurückgreifen, die in der Lage sind Anträge zu lesen und zu interpretieren.
Was bleibt also vom Amtsgeheimnis? Ein Stück Obrigkeitsdenken ist aus den feudalen Zeiten übrig geblieben und das ausgerechnet in der Schweiz, wo man doch den Respekt vor dem Gesslerhut längst glaubte abgelegt zu haben.

Wir fordern die Offenlegung zumindest der bewilligten Tierversuchsvorhaben inklusive Versuchszweck und Art und Zahl der Tiere sowie der zu erwartenden Belastungen.

Wir fordern als Sofortmassnahme das Recht für Angehörige von Bewilligungskommissionen, den Rat von Spezialisten einholen zu können.

Und wir fordern einmal mehr eine öffentliche Debatte über in der Gesellschaft akzeptierte und nicht akzeptierte Versuchsziele. Wir wollen, dass z.B. die Chancen, Risiken und die Belastungen für Mensch und Tier bei der so genannten Xenotransplantation – um nur ein anschauliches Beispiel zu nennen – öffentlich diskutiert werden und die gemachten schwer belastenden Tierversuche nicht heimlich im Ausland durchgeführt werden.

Wir fordern, dass Behauptungen, wie sie vor Abstimmungskampagnen immer wieder von Seiten der Wissenschaft in den Raum gestellt werden, von der Wissenschaftsgemeinde aufs Schärfste zurückgewiesen werden. Wir haben hier ja nicht nur keine Informationsfreiheit, wir sind ja auch noch zahllosen Vernebelungstaktiken ausgeliefert. Dies hat mit einem modernen, bürgerfreundlichen Staatswesen nicht zu tun.